Abschiebung

Wenn eine Person ausreisepflichtig ist, droht eine Abschiebung, wenn die Person nicht selbstständig ausreist. Eine Frist zur „freiwilligen Ausreise“ gibt es, außer in Dublin Fällen, so gut wie immer. Wenn im konkreten Fall keine Abschiebungshindernisse festgestellt werden und kein Bleiberecht infrage kommt, steht die Person vor der Entscheidung, selbstständig auszureisen oder sich der Gefahr einer Abschiebung auszusetzen.

Bei Personen, die einen Asylantrag gestellt haben, wird die Ausreisepflicht vor allem in diesen Fällen vollziehbar:

  • wenn gegen einen ablehnenden Bescheid des BAMF nicht fristgerecht Rechtsmittel eingelegt wurden und die Ausreisefrist abgelaufen ist,
  • wenn im Falle der Ablehnung als „unzulässig“ oder „offensichtlich unbegründet“ kein Eilantrag auf aufschiebende Wirkung bei dem zuständigen Verwaltungsgericht gestellt wurde oder dieser abgelehnt wurde, oder wenn eine Klage mit aufschiebender Wirkung vom zuständigen Verwaltungsgericht abgelehnt wurde und keine weiteren Rechtsmittel mehr möglich sind.
  • Wenn ein Asylverfahren wegen Nichtbetreibens eingestellt wurde

Die Ausreisepflicht ist erst vollziehbar, wenn die Frist für die selbstständige Ausreise abgelaufen ist. Eine Ausreisefrist ist in den meisten Konstellationen zu gewähren, in denen eine Person zur Ausreise aufgefordert wird. Eine wichtige Ausnahme bilden hier allerdings die Dublin-Fälle (also bei Ablehnung des Asylantrags als „unzulässig“ wegen der Zuständigkeit eines anderen Dublin-Staates). Hier sieht das Gesetz vor, dass eine solche Fristsetzung nicht notwendig ist und es ist daher üblich, dass die Behörden die Möglichkeit der selbstständigen Ausreise gar nicht erst einräumen und unmittelbar die Abschiebung (Überstellung) in den anderen Dublin-Staat droht. Nur in Ausnahmefällen können Betroffene erreichen, dass die Ausreise als „selbstorganisierte Überstellung“ abläuft.

Wenn eine Duldung die Nebenbestimmung wie „Erlischt mit Bekanntgabe des Abschiebungstermins“ oder „Erlischt mit Flugtermin“ enthält, kann die betroffene Person theoretisch jederzeit abgeschoben werden. Auf das Datum, das in der Duldung eingetragen ist, kommt es in diesem Fall nicht an. Personen, die abgeschoben werden sollen, können sowohl zu Hause als auch in der Schule oder am Arbeitsplatz von der Polizei abgeholt werden. Manchmal werden sie auch bei Behördenterminen festgenommen. Da der Bescheid mit der Ablehnung des Asylantrags in aller Regel auch eine Abschiebungsandrohung (in Dublin-Fällen: Abschiebungsanordnung) enthält, erfolgt keine weitere Mitteilung, dass die Abschiebung bevorsteht. Die Mitteilung eines konkreten Termins für die Abschiebung ist gesetzlich untersagt.

Manchmal werden Personen, die zwecks Abschiebung von der Polizei mitgenommen werden, direkt zum Flughafen gebracht, manchmal werden sie zunächst inhaftiert.

Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen von Abschiebungen aus bestimmten Einrichtungen und zu den Rechten und Pflichten der beteiligten Akteur*innen finden Sie hier weitere Informationen:

→  Deutscher Caritasverband: Migration im Fokus – Abschiebung und Abschiebungshaft, Dezember 2019.

→  Wissen kompakt: Abschiebungen aus Schulen, Kitas und Betrieben

→  Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen, Hessischer Flüchtlingsrat: Abschiebungen aus Flüchtlingsunterkünften

→  „Müssen Beschäftigte in Flüchtlingsunterkünften an Abschiebungen mitwirken? Straf- und arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen im Kontext von Aufenthaltsbeendigungen“

→  „Handlungsoptionen im Fall von Abschiebungen aus Sammelunterkünften. Eine Handreichung für Sozialarbeiter_innen und Betreuer_innen“

→  Julian Seidl und Verena Veeckman, „Grundrechtsfreie Räume?“ Das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung in Sammelunterkünften für Geflüchtete, Asylmagazin 6/2021, S. 193ff.

 

Beschlagnahme von Geld und Mobiltelefonen

Manchmal kommt es vor, dass die Polizei bei einer Abschiebung Mobiltelefone beschlagnahmt. Sie ist verpflichtet, die Beschlagnahme unverzüglich zu begründen und eine Quittung auszuhändigen. Wenn die Polizei Bargeld findet, das der abzuschiebenden Person gehört, darf sie es ab einem bestimmten Freibetrag beschlagnahmen, um die Kosten der Abschiebung zu begleichen. Dies gilt allerdings nicht bei Dublin-Überstellungen, da die Betroffenen in diesen Fällen nicht verpflichtet sind, die Kosten zu tragen. Wenn die abzuschiebende Person kein Bargeld hat, kann die Polizei nach Ermessen ein Handgeld auszahlen, damit die Person nicht mittellos im Zielstaat ankommt. Einzelheiten regeln die Polizeigesetze und Vorgaben / Erlasse zur Durchführung von Abschiebungen.

 

In einigen Bundesländern gibt es Erlasse oder Vorgaben zum Ablauf von Abschiebungen:

→  Rückführungserlass Niedersachsen

→  Ausführungsbestimmungen zur Vorbereitung und Durchführung von Abschiebungen in Brandenburg

→  Checkliste zur Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (Nordrhein-Westfalen)

→  Erlass zur Abschiebung von Familien mit Kindern zur Nachtzeit (Nordrhein-Westfalen)

 

→  Leitlinien des Innenministeriums Baden-Württemberg für die Rückkehr- und Abschiebepraxis im Land

 

Handlungsoptionen während einer laufenden Abschiebung

Grundsätzlich gehen die beteiligten Behörden und Gerichte davon aus, dass bei einer Person, die abgeschoben werden soll, alle Gründe geprüft worden sind, die möglicherweise gegen die Abschiebung sprechen könnten. Nicht selten kommt es aber vor, dass Engagierte oder Anwält*innen von drohenden Abschiebungen von Personen erfahren, die möglicherweise durch die Abschiebung in eine außergewöhnlich schwierige oder gar lebensbedrohliche Situation geraten könnten – zum Beispiel, weil Hinweise auf eine Gefährdung im Herkunftsland vorliegen, weil eine betroffene Person schwer erkrankt ist oder weil durch die Abschiebung Familien für lange Zeit getrennt werden könnten. Es kann auch sein, dass es eine Bleiberechtsoption gibt, die bislang noch nicht geltend gemacht wurde. Auch in diesen Fällen gibt es aber nur wenige Handlungsoptionen, die nur in seltenen Ausnahmefällen greifen. Insgesamt gilt, dass es sehr schwer ist, bereits laufende Abschiebungen noch zu stoppen.

Ein Asylfolgeantrag kann vor allem dann infrage kommen, wenn sich die Situation im Herkunftsland verändert hat oder wenn andere mögliche Asylgründe vorgetragen werden können, die im bereits beendeten Asylverfahren noch nicht geprüft wurden

Informationen zum Thema Asylfolgeantrag finden Sie bei asyl.net.

Nicht sinnvoll ist es, einen solchen Antrag ohne geeignete Begründung vorzubringen, in der Hoffnung, damit Zeit zu gewinnen. Der Antrag an sich hat nämlich nur „aufschiebende Wirkung“ (d.h. hemmt den Vollzug der Abschiebung), bis das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der zuständigen Behörde mitteilt, ob die Voraussetzungen zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorliegen. Diese Mitteilung kann innerhalb weniger Stunden oder Minuten erfolgen.

 

In anderen Konstellationen, in denen Hinweise vorliegen, dass Abschiebungsverbote vorliegen könnten (zum Beispiel wegen der Gefahr, dass sich eine Erkrankung durch die Abschiebung deutlich verschlimmern könnte), kann dies bei den Behörden eventuell noch geltend gemacht werden. Auch ein solcher Antrag hat allerdings keine aufschiebende Wirkung, deshalb ist zusätzlich gerichtlicher Eilrechtsschutz nötig.

Wenn gesundheitsbedingte Abschiebungshindernisse geltend gemacht werden sollten, beachten Sie die Informationen in unserem Beitrag zu Thema.

→  Wissen kompakt: Krankheit als Abschiebungshindernis

 

Wenn geltend gemacht wird, dass die abzuschiebende Person die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Duldung (Beispielsweise zur notwendigen Pflege von Angehörigen oder eine Beschäftigungsduldung) erfüllt, hat ein entsprechender Antrag keine aufschiebende Wirkung. Es muss also immer zusätzlich ein Eilantrag gestellt werden.

Eilanträge können beim zuständigen Verwaltungsgericht gestellt werden, am besten per Fax oder persönlich. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts richtet sich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt der betroffenen Person.

Eine Abschiebung auf dem Luftweg ist erst vollzogen, wenn das Hoheitsgebiet des Zielstaates betreten wurde; der Transitbereich des Zielflughafens fällt nicht darunter. Bis die Person den Transitbereich verlassen hat, ist noch Eilrechtsschutz gegen die laufende Abschiebung möglich. Ohne anwaltliche Vertretung geht das in aller Regel nicht. Ist die Person nicht anwaltlich vertreten oder ist der Anwalt oder die Anwältin nicht erreichbar, ist es sehr schwer, einen neuen Anwalt oder eine neue Anwältin einzuschalten. Abgesehen davon, dass die meisten Anwält*innen nicht die Kapazitäten haben, um unter so hohem Zeitdruck einen komplett neuen Fall anzunehmen, stellt sich auch die praktische Frage, wie die betroffene Person eine Vollmacht für den Anwalt oder die Anwältin unterschreiben soll. Zudem muss die Kostenfrage idealerweise vorab geklärt sein. In Nordrhein-Westfalen gibt es einen Erlass, der Details zum Thema "Eilrechtsschutz bei Luftabschiebungen" regelt.

Sie können Hilfsorganisationen wie den Landesflüchtlingsrat kontaktieren und um Unterstützung bitten. Allerdings sind aus den genannten Gründen die Erfolgsaussichten meistens gering.

 

Folgen einer Abschiebung

Wer abgeschoben wird, ist (außer bei Dublin-Überstellungen) verpflichtet, die Kosten der Abschiebung selbst zu tragen. Das wird vor allem dann relevant, wenn die Person später versucht, legal nach Deutschland einzureisen. Außerdem bekommt eine abgeschobene Person ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, dessen Länge jeweils individuell festgelegt wird und im Bescheid mit der Abschiebungsandrohung mitgeteilt wird. Die Wiedereinreisesperre kann in begründeten Fällen seitens der zuständigen Ausländerbehörde nachträglich verkürzt werden.

Auch nach dem Vollzug einer Abschiebung kann beantragt werden, festzustellen dass eine Abschiebung an sich, oder einzelne Maßnahmen im Zuge der Abschiebung (z.B. Durchsuchung der Wohnung ohne richterlichen Beschluss, Freiheitsentziehung) rechtswidrig waren. Über entsprechende Anträge muss das zuständige Verwaltungsgericht entscheiden. Eine solche Feststellung führt dazu, dass die Abschiebungskosten der abgeschobenen Person nicht in Rechnung gestellt werden dürfen. Sie führt für sich genommen allerdings nicht dazu, dass ein Anspruch auf Rückkehr nach Deutschland entsteht. Einen Anspruch auf Wiedereinreise gibt es vielmehr laut der Rechtsprechung nur dann, wenn durch die Abschiebung ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde und wenn die betroffene Person im Falle einer Rückkehr nach Deutschland nicht sogleich wieder abgeschoben werden müsste.

 

Unterstützungsmöglichkeiten nach erfolgter Abschiebung

Teilweise gibt es in den Ländern, in die Menschen abgeschoben werden, Organisationen und Beratungsstellen, die zumindest mit Informationen helfen können. Das ist vor allem innerhalb Europas der Fall. Hierzu hat das Raphaelswerk Informationsblätter herausgegeben.

Auch die Mitglieder von ECRE (European Council on Refugees and Exiles) können unter Umständen helfen oder zumindest weiterverweisen.

Informationen über Unterstützungsangebote und über das Prozedere für den Zugang zu Sozialleistungen, Bildung und ähnliches nach Abschiebung ins Herkunftsland, finden Sie auf der Website returningfromgermany.de, Allerdings ist es ratsam, die hier enthaltenen Information mit vor Ort tätigen Nichtregierungsorganisationen abzugleichen. In dem Portal finden Sie in der Regel auch Kontaktdaten entsprechender NGOs und Hilfsorganisationen.

→  Informationsblätter des Raphaelswerks für Personen, mit im Rahmen des Dublin-Verfahrens überstellt wurden

→  Liste der Mitgliedsorganisationen von ECRE

→  "Returning from Germany“

 

Abschiebung von unbegleiteten Minderjährigen

Für die Abschiebung von unbegleiteten Minderjährigen gelten besondere rechtliche Vorgaben. So muss gewährleistet werden, dass sie im Zielland von Sorgeberechtigten oder einer entsprechenden zuständigen Stelle (z.B. Jugendamt oder zuständige Hilfsorganisation) im Empfang genommen werden. Den Betroffenen bzw. ihrem Vormund muss vorab mitgeteilt werden, an wen die Übergabe im Zielland erfolgen wird, damit die Möglichkeit besteht, gegen diese Entscheidung Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Der Bundesfachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) und die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) haben eine Arbeitshilfe herausgegeben, die über die Abschiebung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten informiert. Diese stellt die hohen Anforderungen an eine Abschiebung von Minderjährigen dar und erklärt, welche Rechte die geflüchteten Minderjährige haben. Sie richtet sich vor allem an Unterstützende und Betreuende von jungen Geflüchteten, ist aber auch darüber hinausgehend informativ.

→  Arbeitshilfe: Abschiebung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten

 

Podcast zum Thema Abschiebung

Podcasts sind eine gute Möglichkeit, das eigene Wissen über ein bestimmtes Thema zu vertiefen und auf dem Laufenden zu bleiben. Im Podcast "so nicht bestellt" geht es um den Verwaltungsvorgang der Abschiebung. Wie laufen Abschiebungen ab? Wer landet in Abschiebungshaft? Was geschieht am Flughafen? Wohin gehen, nachdem der Abschiebeflieger gelandet ist? Und - wie die Abschiebung verhindern? Um diese und andere Themen geht es in diesem Podcast.

→ Podcast „So nicht bestellt“ über Abschiebungen