Kirchenasyl

Das Kirchenasyl ist eine alte Schutztradition, aus der heraus es sich in den letzten drei Jahrzehnten zu einer Art Institution entwickelt hat. Ein Kirchenasyl kann dann eingreifen, wenn eine Abschiebung in eine Gefahrensituation droht. Das Kirchenasyl steht jedoch immer wieder unter Druck.

"Kirchenasyl" ist die zeitlich befristete Aufnahme von Geflüchteten, die von Abschiebung bedroht sind, in einer Kirchengemeinde, wenn den Betroffenen bei Abschiebung in ihr Herkunftsland Folter und Tod drohen oder für die mit einer Abschiebung oder Überstellung nicht hinnehmbare soziale, inhumane Härten verbunden sind. Das erste Kirchenasyl wurde im Jahr 1983 in Berlin gewährt. 1994 wurde die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft BAG Asyl in der Kirche e.V. gegründet. Das Kirchenasyl wird von den staatlichen Behörden häufig toleriert, gerät aber immer wieder unter Druck. Denn ein "Recht" auf Kirchenasyl gibt es nicht.

Während des "Kirchenasyls" werden alle in Betracht zu ziehenden rechtlichen, sozialen und humanitären Gesichtspunkte geprüft. In einigen Fällen gelingt es nachzuweisen, dass Entscheidungen von Behörden überprüfungsbedürftig sind und ein neues Asylverfahren erfolgversprechend ist. In allen Fällen werden die Behörden und Gerichte über den Aufenthalt unterrichtet.

In den letzten Jahren wurden Kirchenasyle ganz überwiegend Personen gewährt, die nach einem Dublin-Verfahren in ein anderes europäisches Land überstellt werden sollten. Mehr zum Dublin-Verfahren gibt es hier:

→  Wissen kompakt: Das Dublin-Verfahren

Für diese Fälle haben sich das Bundesinnenministerium, das BAMF sowie die katholische und die evangelische Kirche auf eine Vorgehensweise bei Kirchenasylen geeinigt. Diese sieht vor, dass die Kirchengemeinde innerhalb einer kurzen Frist ein Dossier zum Einzelfall einreicht, das vom BAMF mit Blick auf mögliche humanitäre Härten geprüft wird.
 

Erstinformationen zum Kirchenasyl

Auf ihrer Webseite hat die BAG Asyl in der Kirche viele weitere Informationen zusammengestellt. Diese richten sich zu einen an Gemeinden, die Kirchenasyle erwägen beziehungsweise organisieren. Eine weitere Seite richtet sich an Geflüchtete und bietet Informationen auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Farsi. Die BAG Asyl in der Kirche hat außerdem im Frühjahr 2024 ihre Handreichung mit Erstinformationen zum Kirchenasyl aktualisiert veröffentlicht.

Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Kirchenasyl. Erstinformation für Gemeinden und Gemeinschaften (Stand: April 2024)

Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Info für Gemeinden

Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Info für Geflüchtete [Deutsch] - und auf Englisch, Arabisch, Farsi

Die Adressen und Ansprechpersonen der BAG Asyl in der Kirche in den einzelnen Bundesländern sind hier zu finden.
 

Informationen für die Praxis

Personen, die ein Kirchenasyl anstreben und Gemeinden, die überlegen, Kirchenasyl zu gewähren, finden auf der Website des Erzbistums Berlin nützliche Informationen wie eine Checkliste, das Merkblatt des BAMF zu den Vereinbarungen zwischen BAMF, Innenministerium und Kirchen bezüglich der Vorgehensweise in Kirchenasylfällen, und eine Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz zur Orientierung in Fragen des Kirchenasyls vor. Während sich der einführende erste Teil der Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz grundsätzlichen und aktuellen Fragen des Kirchenasyls widmet, werden im zweiten Teil die Grundlagen des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ und die Auswirkungen auf die Situation in Deutschland dargestellt. Das dritte und abschließende Kapitel stellt Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften, die über ein Ersuchen um Kirchenasyl beraten, Hinweise für die Praxis zur Verfügung, insbesondere mit Blick auf die notwendigen Entscheidungs- und Kommunikationswege.

→  Erzbistum Berlin, Checkliste Kirchenasyl

→  BAMF, Merkblatt Kirchenasyl, 30.7.2018

→  Deutsche Bischofskonferenz, Handreichung zu aktuellen Fragen des Kirchenasyls, 2., aktualisierte Auflage (Stand: Januar 2019)
 

Handreichungen für die Praxis in einzelnen Bundesländern und Diözesen

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat eine zweite Auflage seiner Handreichung zum Kirchenasyl in Niedersachsen veröffentlicht. Die Broschüre erläutert das zwischen den Kirchenspitzen und dem BAMF vereinbarte Verfahren, gibt praxisnahe Tipps zur Umsetzung eines Kirchenasyls, stellt den Weg zum Kirchenasyl dar und enthält auch eine Checkliste. Zudem erläutert die Handreichung weitere praxisrelevante Themen wie Strafbarkeit bei Gewährung von Kirchenasyl, Finanzierung, Krankenbehandlung und Kinderbetreuung.

Flüchtlingsrat Niedersachsen, Kirchenasyl in Niedersachsen. Handreichung für Betroffene, Unterstützer:innen und Gemeinden (Stand: April 2024)

Eine Kurzübersicht zum Kirchenasyl hat der Nordelbische Arbeitskreis Asyl in der Kirche 2023 im Schlepper, dem Magazin des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein veröffentlicht. Die knappe Handreichung beantwortet die wichtigsten Fragen, nennt die Bedingungen des Kirchenasyls und bietet Hinweise zur Umsetzung:

Nordelbischer Arbeitskreis »Asyl in der Kirche«, Handreichung Kirchenasyl (Stand: Sommer 2023)

Für katholische Gemeinden in Baden-Württemberg haben die Diözese Rottenburg-Stuttgart und die Erzdiözese Freiburg eine Handreichung zum Kirchenasyl herausgegeben. Das Erzbistum Paderborn hat ebenfalls eine solche Arbeitshilfe für seine Gemeinden veröffentlicht. Die Publikationen benennen die Grundlagen des Kirchenasyls, fassen das Vorgehen zusammen und geben einen Überblick über die formalen Anforderungen:

Diözese Rottenburg-Stuttgart/Erzdiözese Freiburg, Kirchenasyl in katholischen Kirchengemeinden. Informationen für die Diözese Rottenburg-Stuttgart und die Erzdiözese Freiburg (Stand: März 2022)

Erzbistum Paderborn, Zum Umgang mit Anfragen nach Kirchenasyl im Erzbistum Paderborn. Hinweise und Regelungen für Kirchengemeinden, katholische Kongregationen und Ordensgemeinschaften im Erzbistum Paderborn (Stand: Februar 2024)
 

Zur Frage der Strafbarkeit

Nach der Vereinbarung zwischen Kirchen und BAMF prüft das Bundesamt bei Kirchenasylfällen auf besondere Härten. Im Falle einer negativen Entscheidung geht das BAMF ab diesem Zeitpunkt von einem illegalen Aufenthalt der im Kirchenasyl befindlichen Person aus. Strittig ist die Frage, ob sich Mitarbeitende der Kirchen ab diesem Zeitpunkt strafbar machen, wenn das Kirchenasyl aufrechterhalten wird. In einem im Februar 2022 ergangenen Urteil hat das Bayerische Oberste Landesgericht einen Mönch, der Kirchenasyl auch über das Ende des Dossier-Verfahrens hinaus gewährt hatte, vom Vorwurf der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt freigesprochen. Laut dem Gericht war der angeklagte Mönch nicht verpflichtet, aktive Schritte zur Beendigung des Kirchenasyls zu unternehmen. Daher könne ihm keine Beihilfe und auch kein strafbares Unterlassen vorgeworfen werden (BayObLG, Urteil vom 25.2022 - 201 StRR 95/21 – asyl.net, M30502). Diese Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts gilt zwar als richtungsweisend, sie ist allerdings nicht bindend für andere Gerichte. Zudem ist die Argumentation des Gerichts nicht unbedingt auf alle vergleichbaren Fälle anwendbar. Siehe hierzu die Anmerkung von Johanna du Maire im Asylmagazin:

→  Johanna du Maire, Gewährung von Kirchenasyl nicht strafbar, in: Asylmagazin 5/2022