Die Dublin-Verordnung regelt, welcher der europäischen Staaten für einen Asylantrag zuständig ist. Dafür gibt eine ganze Reihe von Kriterien. Meist ist für die Prüfung des Asylantrages jedoch der Staat zuständig, in dem der*die Schutzsuchende das Territorium der Dublin-Mitgliedstaaten (neben den EU-Staaten sind das noch Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz) betreten hat bzw. in dem er*sie zum ersten Mal registriert wurde.
In diesen für die Durchführung des Asylverfahrens als zuständig erachteten Staat sollen die Betroffenen dann auf der Grundlage des Dublin-Systems zurückgeschoben werden. Schon aufgrund der Fluchtrouten und der geographischen Lage sind das häufig die Länder an den äußeren Süd- oder Ostgrenzen Europas – und in jenen Staaten sind Schutzsuchende häufig schwierigen bis katastrophalen Lebensbedingungen ausgesetzt. Viele Betroffene haben daher große Angst vor einer Dublin-Überstellung.
Zum Thema des Dublin-Verfahrens und möglicher Abschiebungen im Rahmen dieses Systems sind eine Reihe von Publikationen zur Information von Betroffenen und Beratenden erschienen. Der folgende Beitrag versucht einen Überblick zu geben – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Wichtiger Hinweis: Die Lektüre der folgenden Materialien allein qualifiziert nicht zu einer ausreichenden Beratung! Die beim Dublin-Verfahren zu beachtenden Rechtsfragen und Fristen sind komplex und es ist möglich, dass etwa das Einlegen eines Rechtsmittels nicht in jedem Fall sinnvoll und im Sinne der Betroffenen ist. Daher sollte bei drohender Abschiebung aufgrund kurzer Fristen schnellstens eine Asylberatungsstelle konsultiert und eventuell ein Rechtsbeistand hinzugezogen werden. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es immer wieder zu rechtlichen und verfahrenstechnischen Änderungen kommt.
Basisinformation des Informationsverbunds Asyl & Migration
Für einen ersten Überblick bestens geeignet: Die „Basisinformation für die Beratungspraxis Nr. 2“ des Informationsverbunds. Was ist das Dublin-Verfahren? Wie läuft das Dublin-Verfahren in Deutschland ab? Wie geht es danach weiter?
Umfassende Darstellung von Diakonie Deutschland, PRO ASYL und dem Infoverbund Asyl & Migration
Anfang 2024 haben die Diakonie Deutschland, PRO ASYL und der Infoverbund Asyl & Migration eine umfangreiche Handreichung zum Dublin-Verfahren veröffentlicht. Die Handreichung bietet einen systematischen und umfassenden Überblick über die Zuständigkeitskriterien der Dublin-III-Verordnung sowie über den Ablauf des Dublin-Verfahrens. Durch zahlreiche Fallbeispiele, Hinweise sowie Schemata ist die Broschüre zugleich als Arbeitshilfe für die Beratungspraxis angelegt. Die Arbeitshilfe befasst sich nur mit den Verfahren nach der Dublin-III-Verordnung und der daraus resultierenden Möglichkeit, dass Asylantrage unzulässig sein können. Nicht im Detail behandelt wird die Situation von Personen, die bereits einem anderen EU-Staat einen Schutzstatus erhalten haben ("Anerkannte", deren Anträge im sogenannten Drittstaatenverfahren als unzulässig abgelehnt werden können).
Erklärvideo des DRK und der Universität Halle-Wittenberge
Ein Schulungsvideo, das im Rahmen einer Schulungsreihe zum Migrationsrecht vom Deutschen Roten Kreuz gemeinsam mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg veröffentlicht wurde, erklärt die Zuständigkeitsprüfung, die im Rahmen des Asylverfahrens durchgeführt wird (Dublin-Verfahren). Erläutert werden hier die Zuständigkeitskriterien der Dublin-III-Verordnung und die Gründe, aus denen sich eine Zuständigkeit Deutschlands für das Asylverfahren ergeben kann (beispielsweise die Wahrung der Familieneinheit oder der Ablauf von Fristen, die in der Verordnung festgelegt sind).
→ Schulungsvideo zum Dublin-Verfahren (März 2023)
"Erste Hilfe gegen Dublin-Abschiebungen" von Pro Asyl
Was ist zu tun bei einer drohenden Dublin-Abschiebung? Der Ratgeber von Pro Asyl aus dem Jahre 2015 mit dem Titel „Erste Hilfe gegen Dublin-Abschiebungen“ schildert die Problematik des Dublin-Systems und bietet „erste Hilfe“. Die Handlungsempfehlungen sind noch aktuell, auch wenn sich in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen einiges verändert hat. So war zum Zeitpunkt der Veröffentlichtung die rechtliche Frage, ob eine Verlängerung der Überstellungsfrist bei Kirchenasyl möglich ist, noch nicht geklärt, und das BAMF hat noch regelmäßig solche Fristverlängerungen festgestellt, gegen die die Betroffenen klagen mussten.
Leitfaden des Flüchtlingsrats Niedersachsen
Knapp, präzise und zugleich detailliert ist der „Leitfaden für Flüchtlinge“ des Flüchtlingsrats Niedersachsen. Dabei ist er allerdings auch eher juristisch formuliert. Die wichtigste Empfehlung: "Wenn Sie aufgrund Ihres Fluchtwegs oder eines ausgestellten Visums befürchten müssen, einen Dublin III-Bescheid zu erhalten, sollten Sie sich umgehend an einen Anwalt oder eine Anwältin wenden!"
→ Kapitel 6.1."Die Dublin-III-Verordnung“
Wie eine Dublin-Abschiebung verhindern? Informationen von Welcome to Europe
Das Netzwerk "Welcome to Europe" bietet Informationen für Betroffene des Dublin-Systems zu verschiedenen EU-Staaten. Neben allgemeinen Informationen steht ein Überblick zur Verfügung, wie im konkreten Fall gegen eine drohende Abschiebung vorgegangen werden kann.
→ How to stop Dublin deportations (Englisch) (Juni 2021)
Das Persönliche Gespräch im Dublin-III-Verfahren – Informationen zur Vorbereitung
Artikel 5 der Dublin III-Verordnung sieht ein persönliches Gespräch bei der Behörde zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats vor. Dabei ist den Betroffenen auch die Möglichkeit einzuräumen, die Gründe vorzubringen, die gegen die Überstellung in ein anderes europäisches Land sprechen können. Mehr zu den Hintergründen der Dublin-III-Verordnung, den Kriterien, die über die Zuständigkeit entscheiden, und auch dazu, wie sich die Betroffenen auf dieses Gespräch vorbereiten können, erfahren Sie in diesem Merkblatt des Rechtsanwalts Rolf Stahman:
Berichte zur Lebenssituation von Flüchtlingen in den Mitgliedsstaaten des Dublin-Systems
In manchen Mitgliedstaaten des Dublin-Systems sind die Lebensbedingungen für Geflüchtete schwierig bis katastrophal. Das gilt häufig für jene Mitgliedstaaten, in denen aus rein geografischen Gründen Schutzsuchende zuerst ankommen – und in die sie auf Grundlage der Dublin-III-Verordnung wieder zurückgeschoben werden sollen. Wer mit Schutzsuchenden arbeitet, denen eine Dublin-Überstellung droht, sollte die wichtigsten Berichte zur Situation der Flüchtlinge in diesen Staaten kennen.
Länderinformationen finden Sie hier in der Datenbank des Informationsverbunds Asyl & Migration sowie bei www.ecoi.net (Herkunftsländerinformationssystem des Österreichischen Roten Kreuzes). Ergänzend zur Recherche empfohlen: Die Asylum Information Database ("aida") des European Councils for Refugees and Exiles (ECRE)
Kontakte zu Asylberater*innen im Zielstaat der drohenden Überstellung
In der Einzelfallarbeit zu Dublin-Verfahren bedarf es oft transnationaler Kooperation mit Geflüchtetenorganisationen in anderen Ländern. Sehr sinnvoll dafür ist der von ECRE koordinierte Elena-Index – ein immer wieder aktualisiertes umfangreiches Adressverzeichnis mit Institutionen, die Asylsuchende unterstützen. Die jeweils letzte Fassung des „Elena Index“ finden Sie auf der Website von ECRE.
→ ELENA-Index auf der Website von ECRE
Für Spezialist*innen: Entscheidungssammlung zu "Dublin-Verfahren" bei asyl.net
Für Profis relevant, aber auch für Laien interessant: Wie entscheiden die Gerichte in Dublin-Verfahren? Sie können in der Datenbank des Integrationsverbund Asyl & Migration entweder nach den wichtigsten Dublin-Entscheidungen suchen. Daneben gibt es zudem eine Sammlung von „Dublin-Entscheidungen“, in der sämtliche Entscheidungen der letzten Zeit, die beim Informationsverbund Asyl und Migration zum Thema „Dublin“ eingegangen sind, aufgeführt sind:
→ Entscheidungssammlung zu "Dublin-Verfahren"
→ Allgemeine Rechtsprechungsdatenbank
Dublin-Überstellungen und Kirchenasyl
Da in Dublin-Fällen normalerweise eine Frist von sechs Monaten gilt, um die Überstellung durchzuführen, und die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens danach auf Deutschland übergeht, kommt es manchmal vor, dass Kirchenasyl in Dublin-Fällen als Option in Erwägung gezogen wird. Was ein Kirchenasyl ist, erklären wir hier:
→ Wissen kompakt: Das Kirchenasyl
Gerichte haben entschieden, dass eine Person, die sich im Kirchenasyl befindet, nicht als untergetaucht gelten darf und daher die Verlängerung der Dublin-Überstellungsfrist auf 18 Monate nicht zulässig ist, solange den Behörden der Aufenthaltsort der Person bekannt ist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat Anfang 2021 in einer Mitteilung an die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche bestätigt, dass es in derartigen Fällen – mit wenigen Ausnahmen – nicht mehr von einer Verlängerung der Überstellungsfrist ausgeht. Voraussetzung ist aber, dass das Kirchenasyl von der Kirchengemeinde beim BAMF mit einem sogenannten Dossier gemeldet wird.
→ Merkblatt des BAMF zum Ablauf eines Kirchenasyls in Dublin-Fälle (November 2022)
Informationen für Schutzsuchende, die in einen Dublin-Staat überstellt werden
Lässt sich eine Dublin-Abschiebung nicht verhindern, benötigen Betroffene zumindest Informationen, wo sie im Zielstaat Unterstützung finden. Dazu liegen mehrere Handreichungen des Raphaelswerks unter dem Motto „Zumindest nicht ohne Information“ vor. Diese enthalten hilfreiche Informationen z. B. zur rechtlichen Situation, dem Zugang zu Wohnraum, Gesundheitsversorgung und Sozialleistungen sowie Kontakte zu dort bestehenden Beratungs- und Hilfsangeboten. Bislang liegen Handreichungen zur Überstellung nach Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, in die Niederlande, nach Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden und in die Schweiz vor. Weitere sind geplant.
→ Handreichungen auf der Website des Raphaelswerks
Die Initiative "Welcome2Europe" bietet auf ihrer Website länderspezifische Informationen zu verschiedenen europäischen Staaten - unter anderem viele Kontaktadressen von Beratungsstellen und Hilfsorganisationen. Die Seite richtet sich an Geflüchtete, die Informationen oder Kontakte brauchen in dem Land, in dem sie sich gerade befinden - beispielsweise nach einer Dublin-Überstellung. Viele der Seiten sind allerdings seit einigen Jahren nicht mehr aktualisiert worden. Die Seite ist viersprachig (Arabisch, Englisch, Farsi, Französisch)
Familienzusammenführung nach der Dublin-III-Richtlinie
Das Dublin-Verfahren sorgt nicht nur dafür, dass Geflüchtete von Deutschland in andere europäische Staaten überstellt werden, sondern kann in bestimmten Situationen dafür sorgen, dass Familienangehörige aus anderen europäischen Staaten nach Deutschland gebracht werden. Denn grundsätzlich ist immer nur ein Staat für die Asylanträge aller Mitglieder einer Familie zuständig.
Informationen zu den Voraussetzungen und zum Verfahren bei der Familienzusammenführung nach der Dublin-III-Verordnung finden Sie in der ausführlichen Arbeitshilfe von Equal Rights Beyond Borders, der Diakonie und dem Informationsverbund Asyl und Migration sowie bei familie.asyl.net.
Auf Englisch ist diese Broschüre ebenfalls erschienen und hier abrufbar.
→ familie.asyl.net, Familienzusammenführung nach der Dublin-III-Verordnung