In Flüchtlingsunterkünften leben verschiedenste Menschen auf engem Raum, viele von Ihnen leiden unter traumatischen Erfahrungen, unter der mangelnden Privatsphäre, unter der strukturellen Fremdbestimmtheit durch die Art und Weise ihrer Unterbringung und unter ihrer oft ungewissen Zukunft. Das kann zu Aggressionen führen. Schon wenige zu Gewalttätigkeit neigende Personen können in Unterkünften massive Probleme verursachen, unter denen dann vor allem jene leiden, die sich schwer selbst gegen Gewalt und Übergriffe wehren können, zum Beispiel Frauen, Minderjährige und andere besonders schutzbedürftige Geflüchtete. Gewalt in Unterkünften kann aber ebenso von hauptamtlichen Mitarbeiter*innen, vom Sicherheitspersonal oder von ehrenamtlichen Unterstützer'innen ausgehen.
Gewaltschutzkonzepte für Flüchtlingsunterkünfte
Mittlerweile gibt es sogenannte „Gewaltschutzkonzepte“ - also Maßnahmenbündel, die Gewalt verhindern und Gewaltopfer schützen sollen. Die Verantwortung dafür, dass Gewaltschutzkonzepte angemessen umgesetzt werden, liegt bei den hauptamtlichen Leitungen der jeweiligen Unterkunft. Aber auch für Ehrenamtliche kann es hilfreich sein, Gewaltschutzkonzepte zu kennen - auch um zu wissen, dass es in jeder Unterkunft klar benannte Ansprechpartner für Opfer gewalttätiger Übergriffe oder sexualisierter Gewalt geben muss.
Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugendliche (BMFSFJ) und UNICEF 2016 initiierte und zuletzt im April 2021 überarbeitete Broschüre formuliert Leitlinien für die Erstellung und Umsetzung von einrichtungsinternen Schutzkonzepten, die in jeder Form von Flüchtlingsunterkünften gelten müssen. Dabei werden sechs Mindeststandards definiert: Ein "einrichungsinternes Schutzkonzept", ein Mindeststandard bezüglich des Personals und des Personalmanagements, ein Mindeststandard in Bezug auf interne Strukturen und externe Kooperation, ein Mindeststandard zum Umgang mit Gewalt und Gefährdungssituationen (Risikomanagement), ein Mindeststandard in Bezug auf menschenwürdige, schützende und fördernde Rahmenbedingungen und ein Mindeststandard bezüglich eines Monitorings, das überprüft, in das Schutzkonzept angemessen umgesetzt wird.
Auf der von Bundesinitiative „Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ betriebenen Website finden sich zahlreiche weitere Gewaltschutzkonzepte und Tools, zum Beispiel Checklisten, mit denen für Flüchtlingsunterkünfte verantwortliche Personen prüfen können, ob ihre Einrichtung Gewaltschutzstandards einhält. Die Website ist für Fachleute gedacht, steht aber auch interessierten Laien offen.
Weitere Materialien zum Thema Gewaltschutz finden sich auf dieser Website des FlüchtlingsratsThüringen.
→ Flüchtlingsrat Thüringen, Gewaltschutz
Gewaltschutz für geflüchtete Frauen und Mädchen
Die Arbeitshilfe des Paritätischen Wohlfahrtsverband buchstabiert auf rund zehn Seiten praktisch aus, wie in Unterkünften ein Gewaltschutzkonzept verankert werden kann.
Die Frauenhauskoordinierung e.V. hat zusammen mit dem Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) ausführliche FAQ erstellt zu fast allen Fragen rund um das Thema Gewaltschutz für geflüchtete Frauen: Ein Nachschlagewerk für alle Menschen, die von Gewalt betroffene geflüchtete Frauen und Mädchen unterstützen. Die Publikation liegt auch auf Englisch und in einfacher Sprache vor.
→ bff/Frauenhauskoordinierung, FAQ - häufig gestellte Fragen an der Schnittstelle Gewaltschutz und Flucht, 2. überarbeitete Ausgabe, Oktober 2018, die Publikation auf Englisch und in leichter Sprache
Gewaltschutz und LGBTTIQ*-Geflüchtete
Die Beratungsstelle kargah e.V. aus Hannover hat Kargah e.V. hat ein Factsheet zur Unterbringung von LGBTTIQ*-Asylsuchenden erstellt. Das Factsheet informiert über die Situation von LGBTTIQ*-Asylsuchenden und die besonderen Bedarfe bei ihrer Unterbringung. In der Veröffentlichung werden Erfahrungen aus der Beratungspraxis vorgestellt und Leitlinien für die Unterbringung herausgearbeitet. Für die Erstellung wurden Menschen, die in Unterkünften leben oder gelebt haben, um eine Rückmeldung über ihre Erfahrungen gebeten.
→ kargah, Factsheet zur Unterbringung von LSBTIQ* Asylsuchenden, November 2022
Der LSVD+ hat (noch unter dem Namen LSVD) einen Leitfaden zum LSBTI*-sensiblen Gewaltschutz für Geflüchtete herausgegeben. Der Praxisleitfaden soll Unterbringungseinrichtungen und Beratungsstellen darin unterstützen, die Leitlinien zur schutzbedarfsgerechten Unterbringung von LGBTTIQ*-Geflüchteten umzusetzen. Die Empfehlungen werden in Checklisten zusammengefasst. Außerdem bietet der Leitfaden weiterführendes Material und Kontakte zu spezialisierten Anlaufstellen.
→ LSVD, Leitfaden für die Praxis. LSBTI*-sensibler Gewaltschutz für Geflüchtete, 2. Auflage, 2022
Kinderschutz in Unterkünften
In Deutschland müssen viele geflüchtete Kinder in Sammelunterkünften leben, oft ohne Zugang zu regulären Betreuungs- und Bildungseinrichtungen. Das Allermindeste sollten für sie kindgerechte Räume sein, in denen sie sicher spielen und sich entfalten können. Save the Children hat ein Handbuch zur Etablierung solcher Räume in Sammelunterkünften veröffentlicht. Es stellt die Zielsetzung von solchen Schutz- und Spielräumen dar, skiziiert die erforderliche Zusammenarbeit der relevanten Akteure, die räumlichen Bedingungen sowie die wesentlichen Strukturen für den Praxisalltag. Weitere anleitende Materialien und Checklisten für die Anwendung auf den eigenen individuellen Kontext sind gesammelt im Anhang zu finden.
→ Save the Children, Handbuch zu Schutz- und Spielräumen für Kinder, Juli 2018
Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs hat eine Checkliste veröffentlicht, die zeigt, was in Flüchtlingsunterkünften zum Schutz von Kindern unabdingbar ist. Die Checkliste enthält in knapper Form die wichtigen Fragen - etwa ob eine Ansprechperson benannt ist, an die sich Betroffene oder Zeugen beim Verdacht auf Kindesmissbrauche wenden können. Im Jahr 2023 hat Save the Children eine Checkliste veröffentlicht, mit der der Kinderschutz in Notunterkünften evaluiert werden kann.
Schutz und Hilfe bei (häuslicher) Gewalt für Frauen, Kinder und Jugendliche
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die unter Gewalt leiden. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung können Betroffene unterstützt werden – 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Auch Angehörige, Freund-/innen sowie Fachkräfte werden anonym und kostenfrei beraten.
→ www.hilfetelefon.de | Die Infos des Hilfetelefons zur telefonischen Beratung in 18 Sprachen gibt es hier.
Der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) bietet auf seiner Website eine Suchmaske, über die man dem Bundesverband zugehörigen lokalen Beratungsstellen findet. Dabei können verschiedene Beratungsthemen ausgewählt werden.
→ bff, Hilfe & Beratung. Hilfsangebote vor Ort
Anonyme und kostenlose Hilfe und Beratung für Kinder und Jugendliche, die in Not sind oder Sorgen haben, bietet der Verein Nummer gegen Kummer deutschlandweit unter 116 111. Die telefonische Beratung ist montags bis samstags von 14 Uhr bis 20 Uhr besetzt.
Mehrsprachige Informationen und Hilfe zum Thema Häuslicher Gewalt
Was ist Häusliche Gewalt? Was kann man tun, wenn man Zeuge oder Opfer häuslicher Gewalt wird? Der Arbeitskreis neue Erziehung (ANE e.V.) hat unter dem Titel „Kinder leiden mit - Rat und Hilfe bei häuslicher Gewalt“ ein mehrsprachiges Informationsblatt herausgegeben, das auch Notfallnummern enthält, an die man sich wenden kann. Das Informationsblatt gibt es auf Deutsch, Arabisch, Russisch und Türkisch.