Studien zufolge haben Geflüchtete gegenüber der deutschen Mehrheitsgesellschaft ein zehnfach erhöhtes Risiko, Symptome einer so genannten Traumafolgestörung zu entwickeln. Es gibt daher mittlerweile viele Angebote, die sich an Geflüchtete mit einer Trauma-Problematik richten. Solche Angebote und Informationen für Betroffene haben wir hier gesammelt: Mehrsprachige Informationen: Traumatisierung. In dem hier folgenden Beitrag hier sammeln wir dagegen vor allem Informationen für ehrenamtliche Unterstützer*innen.
Menschen, die Geflüchtete begleiten, müssen keine Traumaexpert*innen sein, sollten aber idealerweise grob wissen, wie sich Traumata äußern können, professionelle Hilfsangebote finden können und am besten auch die Faktoren kennen, die zur Entwicklung einer Traumatisierung beitragen.
Denn dass relativ viele Geflüchtete unter einer Traumatisierung leiden, liegt nicht nur daran, dass Geflüchtete häufig Gewalt erlebt haben, sondern dass sie hierzulande vielen Faktoren ausgesetzt sind, die die Entwicklung einer Traumatisierung begünstigen: Wer nicht weiß, ob er oder sie bleiben darf oder abgeschoben wird, wer in einer Unterkunft ohne Privatsphäre lebt, wer die Sprache nicht versteht, von seiner Familie und seinen Freunden getrennt ist und keine angemessene Behandlung erhält, hat ein höheres Risiko, dass sich aus einer traumatisierenden Erfahrung ein psychisches Leiden entwickelt. Deshalb ist es wichtig, dass Menschen, die Anzeichen einer Traumatisierung zeigen, möglichst bald qualifizierte Hilfe erhalten.
Zugleich sind nicht alle Geflüchteten, die etwas Schlimmes erlebt haben, traumatisiert: Es wäre fatal, Geflüchteten pauschal zu unterstellen, sie litten unter traumabedingten psychischen Störungen. So wichtig es ist, dass Ehrenamtliche und Hauptamtliche in der Flüchtlingsarbeit darauf achten, ob Geflüchtete eventuell qualifizierte psychotherapeutische Unterstützung brauchen, ist es ebenso wichtig, dass Geflüchtete nicht durch Laien-Diagnosen als „traumatisiert“ stigmatisiert, als „psychisch krank“ entmündigt oder gar laienhaften Therapieversuchen unterzogen werden.
Ratgeber für die ehrenamtliche Arbeit im Kontext von Flucht und Trauma
Die Caritas Köln hat im September 2022 einen Ratgeber herausgebracht, der sich an Ehrenamtliche richtet, die mit traumatisierten Geflüchteten arbeiten. Der Ratgeber informiert darüber, wie Traumata aufgrund von Erfahrungen im Herkunftsland oder auf der Flucht wirken. Ein eigenes Kapitel widmet sich den Besonderheiten von Traumata bei Kindern. Der Ratgeber geht auch darauf ein, was Ehrenamtliche tun können, um sich selbst durch Selbstfürsorge und Grenzen zu schützen und weist auf Unterstützungsangebote sowohl für traumatisierte Geflüchtete als auch für Ehrenamtliche hin.
Die Bundespsychotherapeutenkammer hat einen kompakten Ratgeber für Flüchtlingshelfer zum Umgang mit traumatisierten Personen veröffentlicht. Auf elf Seiten wird der Begriff Trauma erläutert und wie Unterstützer*innen mit traumatisierten Erwachsenen und Kindern umgehen können.
Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer – BAfF e.V hat 2018 einen umfangreichen Praxisleitfaden für den traumasensiblen und empowernden Umgang mit Geflüchteten herausgebracht und 2022 aktualisiert. Der Leitfaden erklärt sehr detailliert über psychosoziale Auswirkungen von Gewalt und Flucht, er erklärt, welchen Behandlungsanspruch betroffene Geflüchtete haben, wie man sich Betroffenen gegenüber stabilisierend verhalten und Reaktivierungen von traumatischen Situationen vermeiden kann, was bei akuten Krisen getan werden kann und wie Haupt- und Ehrenamtliche sich davor schützen können, durch die Unterstützung traumatisierter Menschen selbst destabilisiert zu werden.
Die folgende Broschüre des Bayerischen Roten Kreuzes beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Thema Traumatisierung für Flüchtlingshelfer*innen: Wie entsteht eine Traumatisierung, wie kann man eine Traumafolgestörung verhindern und was ist eine traumasensible Haltung? Wie können ehrenamtliche Sicherheit vermitteln und damit Stabilisierung fördern? Die Broschüre geht auch darauf ein, wie sich ehrenamtliche oder hauptamtliche Helfer*innen vor Überlastung schützen und selbst Hilfe erhalten können.
Ein Informationsblatt des Projekts Refugee Trauma Help konzentriert sich vor allem auf das Thema Selbstfürsorge. Menschen, die traumatisierten Geflüchteten beistehen und stark mit deren traumatischen Erlebnissen konfrontiert werden, können unter Umständen selbst eine sogenannte "sekundäre Traumatisierung" entwickeln. Deshalb ist das Thema "Selbstsorge" im Kontext von Traumatisierung sehr ernst zu nehmen.
→ Refugee Trauma Helm, Hinweisblatt "Für Helfende: Hinweise zur Selbstfürsorge"
Was ist die angemessene Rolle von Ehrenamtlichen in der Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen? Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Frage findet sich in der BAfF-Stellungnahme mit dem Titel „Ein Jahr nach dem „Sommer der Solidarität“ – Was bewegte sich?“. Die Stellungnahme erinnert daran, dass sie Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen eine staatliche Aufgabe ist, die mit qualifiziertem hauptamtlichen Personal umgesetzt werden muss. Überlegungen zum Thema Laien-Therapeut*innen und Traumaberater*innen werden vor diesem Hintergrund kritisch bewertet. Zugleich zeigt die Stellungnahme auf, das das Ehrenamt im psychosozialen Bereich hinsichtlich der Stabilisierung von Menschen mit Fluchterfahrungen eine große Unterstützung sein kann. Ehrenamtliche können damit auch im psychosozialen Bereich sehr wichtige und notwendige ressourcenorientierte und stabilisierende Arbeit leisten, die die hauptamtliche Arbeit der TherapeutInnen und Sozialarbeiter*innen gut ergänzt, wenn die Ehrenamtlichen entsprechende Qualifikationsangebote erhalten.
Die richtigen qualifizierten Ansprechpartner*innen finden
Manche Asylberatungsstellen bieten Beratung zum Thema psychosoziale Unterstützung an oder können an geeignete lokale oder regionale Beratungsstellen weiterverweisen. In vielen Regionen gibt es außerdem psychosoziale Zentren, die auf die Behandlung von traumatisierten Geflüchteten spezialisiert sind.
Die regionalen Psychosozialen Zentren sind über die „Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer“ (BAfF) miteinander vernetzt. Für Hauptamtliche wie etwa Sozialpädagog*innen oder die Leiter*innen von Integrationskursen bietet die BAfF Schulungen zum Thema Traumatisierung an. Als unabhängige Expert*innenstelle für das Thema psychosoziale Betreuung von Geflüchteten meldet sie sich auch politisch zu Wort.
→ BAfF, Übersicht der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge mit Kontaktdaten
Im Zweifelsfall ist auch das Zentrum Überleben bundesweit für Ratsuchende Ehrenamtliche Ansprechbar und kann wenn nötig auf geeignete regionale oder lokale Hilfsangebote weiterverweisen
→ Zentrum Überleben, Informationen für anfragende Patient*innen
Wie organisiert man therapeutische Hilfe für Geflüchtete? Wer trägt die Kosten?
Die Beantragung ambulanter Psychotherapien für Geflüchtete beruht auf einem rechtlich komplexen System und sollte daher am besten von hauptamtlichem Personal übernommen werden. Denn ob eine Therapie finanziert wird und bei wem diese durchgeführt werden kann, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Zum einen ist dies auf Patient*innenseite abhängig vom Aufenthaltsstatus. Zum Teil ist außerdem die Dauer des Aufenthaltes in der Bundesrepublik maßgeblich.
Eine Arbeitshilfe der BAfF stellt dar, welchen Personen welche sozialrechtlichen Ansprüche zustehen und wie sich dies auf die Gesundheitsversorgung allgemein und insbesondere die Psychotherapie auswirkt. Dabei soll zudem auf die Voraussetzungen eingegangen werden, die PsychotherapeutInnen erfüllen müssen, um Geflüchtete zu behandeln (Stand August 2020).
→ BAfF, Arbeitshilfe. Leitfaden zur Beantragung einer Psychotherapie für Geflüchtete, August 2020
→ BAfF, Arbeitshilfe: Finanzierung von Sprachmittlungskosten für Geflüchtete, November 2021
Bei minderjährigen oder jungen volljährigen Geflüchteten gelten spezielle Regeln für die Beantragung psychologischer Hilfe. Eine Handreichung der BAfF und des BumF erklärt für Fälle unbegleiteter minderjähriger bzw. jungen volljähriger Geflüchteter wie auch für Fälle von begleiteten Minderjährigen bzw. jungen Volljährigen, welche Möglichkeiten der Kostenübernahme es gibt.
Wichtige Informationen zum Thema Therapie
Es gibt leider nur eine begrenzte Zahl von Therapieplätzen für traumatisierte Menschen. Manchmal gibt es deshalb längere Wartezeiten für eine Therapie. Und es ist schwierig, einen Platz zu bekommen.
Vor Beginn einer Therapie bespricht eine Beraterin oder ein Berater mit dem Patienten oder der Patientin, welche Therapie im vorliegenden Fall geeignet ist. Es gibt viele verschiedene Formen von Therapien: zum Beispiel regelmäßige Gespräche allein mit einem Therapeuten oder Gruppentherapien. Patient*innen müssen normalerweise nichts bezahlen. Der*die Therapeut*in oder die Beratungsstelle stellen einen Antrag bei der Krankenkasse oder beim Sozialamt, damit die Kosten übernommen werden. Ob der Antrag bewilligt wird, hängt von vielen Faktoren ab.
Wenn Therapeut*in und Patient*in nicht dieselbe Sprache sprechen, dann nimmt eine weitere Person an der Therapie teil, die übersetzt: eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher. Diese Person ist extra dafür ausgebildet, bei einer Therapie zu übersetzen.
Wichtig: Therapeut*innen und Dolmetscher*innen dürfen niemandem weitererzählen, was Patient*innen in der Therapie sagen. Es gilt die „Schweigepflicht“. Darauf können Patient*innen vertrauen.
Es ist nicht leicht, eine Therapie zu beginnen. Alle Menschen müssen zuerst Vertrauen zum Therapeuten oder zur Therapeutin aufbauen. Das braucht Zeit. Patient*innen brauchen auch Geduld: Oft wirkt eine Therapie nicht gleich bei der ersten Sitzung. Es dauert ein wenig, bis eine Therapie spürbar hilft.
Praktische Hilfe für Betroffene
Es gibt eine ganze Reihe niedrigschwelliger und mehrsprachiger Hilfs- und Informationsangebote für Geflüchtete, die unter einer traumatischen Erfahrung leiden. Wir haben diese an Geflüchtete gerichteten Angebote in einem eigenen Beitrag gesammelt. Darunter sind viele Informationen, die auch für Ehrenamtliche relevant sind, etwa Erklärfilme zur Frage, wie man eine Traumatisierung erkennt oder Informationen für Eltern traumatisierter Kinder.
→ Mehrsprachige Informationen zum Thema Traumatisierung
Die folgende Broschüre erklärt wissenswerte Fakten zum Thema Traumatisierung, widmet sich Faktoren, die Traumatisierung begünstigen und lässt vor allem viele Geflüchtete zu Wort kommen, die sich aufgrund einer Traumatisierung in psychotherapeutische Behandlung begeben haben.
Materialien für Expert*innen
Der Versorgungsbericht der Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.) geht der Frage nach, inwieweit für Geflüchtete, die mit psychischen Belastungen kämpfen, auf dem Versorgungsgebiet Deutschlands bedarfsgerechte Behandlungsangebote zugänglich, verfügbar und tatsächlich erreichbar sind. Er bietet einen detaillierten Überblick über die Arbeit der psychosozialen Zentren.
→ BAfF, Flucht & Gewalt, Psychosozialer Versorgungsbericht Deutschland 2023
Der Leitfaden von BAfF und Rosa Strippe e.V. n richtet sich an Berufsgruppen, die an der Erkennung von Schutzbedarfen von Geflüchteten arbeiten, um diese entsprechend zu beraten. Auf Traumatisierungen wird dabei ebenfalls eingegangen.