Teilhabe statt Paternalismus - Partizipation von Geflüchteten im Ehrenamt

Immer mehr Geflüchtete wollen sich selbst ehrenamtlich engagieren. Und immer mehr Projekte entdecken, wie wichtig die Teilhabe von Geflüchteten in den ehrenamtlichen Strukturen ist. Wenn Geflüchtete selbst als aktiv Handelnde gewonnen und die dafür notwendige Rahmenbedingungen geschaffen werden, hat das für alle viele Vorteile. Wir versammeln hier dazu hilfreiche Impulse.

Wie können Geflüchtete als Ehrenamtliche gewonnen werden? Welche Rahmenbedingungen braucht es? Was ist zu bedenken und zu beachten? Wir haben einige Materialien herausgesucht, die zu diesem Thema Anregungen bieten können. Außerdem machen wir auf einige selbstorganisierte Initiativen hin, in deren Rahmen geflüchtete Menschen sich politisch für ihre Rechte und Interessen einsetzen können.

 

Motivationslagen berücksichtigen

Wie einheimische Ehrenamtliche bringen geflüchtete Engagierte verschiedenste Motivationen mit. Wer Geflüchtete in lokale Ehrenamtsprojekte integrieren will, sollte diese kennen und berücksichtigen. Viele Geflüchtete äußern etwa, dass sie angesichts von Arbeitsverboten oder anderen Einschränkungen und Diskriminierungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt nach einer sinnvollen Tätigkeit suchen, die ihnen bei der Ankunft und der Integration hilft. Eine ehrenamtliche Tätigkeit wird oft als Einstieg in das Arbeitsleben angesehen. Anders als etwa für deutsche RentnerInnen haben formelle Anerkennungen oder im Rahmen des Ehrenamts erworbene Qualifikationsnachweise für Geflüchtete daher oft große Relevanz: Sie können später eventuell für Bewerbungsverfahren wichtig sein. Darauf und auf viele andere Aspekte weist etwa das Working Paper des Minor-Projekts „Perspektive Teilhabe“ hin. Lesenswert im hier fokussierten Zusammenhang ist vor allem Kapitel 8 „Freiwilliges Engagement geflüchteter Menschen“:

→  Working Paper des Projekts „Perspektive Teilhabe - Freiwilligenarbeit mit Geflüchteten“

 

Demokratie erlebbar machen

Impulse für mehr Teilhabechancen für Geflüchtete will auch das Netzwerk Bürgerbeteiligung bieten: Unter dem Titel »Integration braucht Beteiligung – Partizipation und Engagement von und mit Flüchtlingen« formuliert ein “Netzwerkimpuls”, warum Geflüchtete am Ehrenamt teilhaben sollten und wie dies ermöglicht werden kann. Ein Aspekt, den das Netzwerk betont, ist, dass Integration ins Ehrenamt “praktische Demokratieerfahrungen” bieten kann, die für die politische Integration von Geflüchteten eine wichtige Rolle spielen können.

→  Netzwerkimpuls »Integration braucht Beteiligung – Partizipation und Engagement von und mit Flüchtlingen«

 

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Basisinformationen des Informationsverbunds Asyl und Migration ist in sieben verschiedenen Sprachen erschienen und beinhaltet praktische Informationen für alle, die sich freiwillig für geflüchtete Menschen einsetzen - etwa zu Themen wie Pflichten und Standards des freiwilligen Engagements (Rechtsdienstleistungsgesetz, Datenschutz, Selbstreflexion beim Engagement, Sorgfaltspflichten etc.), Versicherungsschutz und Entgelt im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeiten sowie dem Umgang mit Anfeindungen.

Auch die entwicklungspolitische Organisation “Engagement Global” bietet einen Leitfaden, der vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen des Engagements von Geflüchteten in den Blick nimmt und sich als Anregung an die Kommunalverwaltungen und an zivilgesellschaftliche Akteure versteht, Geflüchteten den Einstieg in ehrenamtliches Engagement zu erleichtern. 

→ Informationsverbund Asyl und Migration: Basisinformation Nr. 4 "Rahmenbedingungen des freiwilligen Engagements" auf Deutsch und in sechs Übersetzungen

→  Dialog Global: Rechtliche Rahmenbedingungen des Engagements von Geflüchteten. Ein Praxisleitfaden

 

"Join-Ehrenamt" - Erfahrungsberichte von ehrenamtlich tätigen Geflüchteten

Der Landesverband Hessen des Deutschen Roten Kreuzes hat den Handlungsbedarf erkannt und es sich zum Ziel gesetzt, das ehrenamtliche Engagement von Geflüchteten mehr zu fördern. Vor allem sollte den eigentlichen ProtagonistInnen - nämlich den Geflüchteten selbst - Raum gegeben werden, über ihre eigenen Erfahrungen und Perspektiven zu berichten. Dabei entstanden acht Filmportraits. Diese sind nun das Herzstück einer Homepage, über die sich Interessierte beim DRK informieren können.

→  Die dreisprachige Homepage ist unter www.join-ehrenamt.de erreichbar. 

→  Die Videos sind auch auf dem YouTube-Kanal des DRK Hessen einsehbar: https://www.drk-hessen.de/drk-hessen-auf-youtube.html


“Peers Helfen” - ein Beispiel aus der Praxis

Eines von vielen Projekten, die in der Praxis zeigen, wie Integration von Geflüchteten ins Ehrenamt aussehen kann, ist das Projekt „Peers Helfen – Selbstbestimmt im neuen Land“ der Freiwilligenagentur Wolfenbüttel. Im Rahmen des Programms werden Geflüchtete als ehrenamtliche BeraterInnen ausgebildet, die wiederum anderen Geflüchteten weiterhelfen. Das Projekt will so die Erfahrungen der Geflüchteten nutzen und ihnen zugleich Teilhabechancen eröffnen. Das Projekt hat zum Ziel, innerhalb von drei Jahren 90 Neuzugewanderte in das Ehrenamt zu bringen und 45 Institutionen dahingehend zu sensibilisieren, dass sie Neuzugewanderte als Ehrenamtliche einsetzen.

→  Projekt „Peers Helfen – Selbstbestimmt im neuen Land“

 

Modellprojekt „Teilhabe durch Engagement

Im Rahmen des Modellprojekts „Teilhabe durch Engagement" der Bundesarbeitsgemeinschaft der Frewilligenagenturen an zehn Standorten bundesweit lokale Möglichkeiten entwickelt, das Engagement nicht für Geflüchtete sondern von Geflüchteten selbst zu stärken. „Teilhabe durch Engagement“ lautet die Formel, geflüchtete Menschen mit freiwilligem Engagement vertraut zu machen, sie zu ermutigen und darin zu unterstützen, sich in Gemeinschaft mit anderen für die Gesellschaft zu engagieren. Die Ergebnisse des Projekts sowie viele Beispiele und Empfehlungen aus der Praxis sind in einem Praxisleitfaden enthalten. Der Leitfaden richtet sich an Personen, die geflüchtete Menschen für ein ehrenamtliches Engagement gewinnen wollen.

→  Neue Engagierte: Freiwilliges Engagement von geflüchteten Menschen fördern. Ein Leitfaden für die Praxis

 

Politisches Engagement von geflüchteten Menschen

Engagement und Partizipation von geflüchteten Menschen kann unterschiedliche Formen annehmen. Die Mitarbeit bei Aktivitäten der praktischen Hilfe, zum Beispiel bei Asyl-Arbeitskreisen, ist eine Sache, aber es gibt auch seit vielen Jahren politisch arbeitende Initiativen von geflüchteten Menschen, die politische Forderungen aufstellen und diese nach außen tragen. Ein Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung gibt einen historischen Überblick dazu. Im folgenden verlinken wir einige der aktuell aktiven Initiativen. Mehrere Selbstorganisationen geflüchteter Frauen stellen wir im Beitrag Empowerment geflüchteter Frauen vor.