Die Wohnsitzauflage für Personen mit humanitären Aufenthaltstiteln

Wer eine positive Entscheidung im Asylverfahren bekommt, muss in dem Bundesland wohnen bleiben, wo er oder sie während des Asylverfahrens gewohnt hat. Das heißt Wohnsitzregelung oder Wohnsitzauflage. Das gleiche gilt für Personen, die einen vorübergehenden Schutz erhalten. Vorübergehender Schutz ist ein Status für Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind.

Darüber hinaus können die Bundesländer zusätzlich weitergehende Wohnsitzauflagen erteilen. Zum Beispiel für einen bestimmten Ort. Es gibt aber auch Ausnahmen. In manchen Fällen gibt es keine Wohnsitzauflage. Wir haben im Folgenden dazu einige Informationen und Arbeitshilfen zusammengestellt.

Die 2016 mit dem Integrationsgesetz eingeführte Wohnsitzregelung soll laut Gesetzestext der Integration anerkannter Geflüchteter dienen. Ob die Verpflichtung, an einem bestimmten Ort zu leben, die Integration tatsächlich fördert oder verhindert, ist umstritten. Eine im August 2023 veröffentlichte Evaluierung der empirica ag in Zusammenarbeit mit der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder im Auftrag des BAMF kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Wohnsitzauflage eher nicht integrationsfördernd wirkt. In der Praxis kommt es jedenfalls immer wieder dazu, dass Betroffene umziehen möchten, was ihnen durch die Wohnsitzregelung erschwert oder unmöglich gemacht wird. Welche Ausnahmefälle gibt es und welche Rechtsmittel können Betroffene einlegen, wenn ihnen ein Umzug trotz guter Gründe verweigert wird?

 

Die Regelung im Überblick

Vereinfacht dargestellt sieht die Regelung vor, dass Geflüchtete nach ihrer Anerkennung drei Jahre in jenem Bundesland wohnen bleiben müssen, in dem sie ihr Asylverfahren durchlaufen haben. Mit der Einführung der Wohnsitzregelung einher ging eine neue Zuständigkeitsregelung im Sozialrecht, nach der lediglich die Behörde des Ortes, an dem der Wohnsitz zu nehmen ist, für die Gewährung von Sozialleistungen zuständig ist. 2022 wurde beschlossen, dass die Wohnsitzauflage auch für Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG (vorübergehender Schutz aufgrund des Kriegs in der Ukraine) gilt.

Die Regelung enthält mehrere Ausnahmen, etwa für Anerkannte, die anderswo eine relevant entlohnte Arbeitsstelle finden (min. 15 Stunden pro Woche, derzeit min. 810 Euro Verdienst) oder etwa eine Ausbildung oder ein Studium aufnehmen. Ausnahmen gibt es auch für Personen, die einen Integrationskurs, einen berufsbezogenen Sprachkurs, eine mindestens dreimonatige Qualifizierungsmaßnahme zur Vorbereitung auf eine Ausbildung, oder eine Weiterbildungsmaßnahme nach § 81 oder § 82 SGB III aufnehmen oder abgeschlossen haben. Wie so häufig sind die Regelungen im Einzelnen kompliziert. Wer im Einzelfall klären will, ob eine geflüchtete Person umziehen kann, findet in den nachfolgend genannten Materialien wichtige Hintergrundinformationen. Wenn es zum Streit mit den zuständigen Behörden kommt, sollten aber spezialisierte Beratungsstellen aufgesucht werden oder im Aufenthaltsrecht erfahrene Rechtsbeistände hinzugezogen werden.

Achtung: Zu unterscheiden ist die Wohnsitzregelung für anerkannte Geflüchtete von der Residenzpflicht und der Wohnsitzauflage für Schutzsuchende im Asylverfahren oder mit Duldung.

 

Allgemeine Informationen zur Wohnsitzregelung

„Berlin hilft“ erklärt, wer genau von der bundesgesetzlichen Regelung in § 12a AufenthG betroffen ist, wie lange sie gilt und wie sie die Wohnsitzwahl beschränkt. Wichtig zu wissen ist vor allem, in welchen Fällen die Wohnsitzregelungen nicht gelten oder aufgehoben werden können. Abschließend werden noch einige offene Fragen und mögliche Streitpunkte genannt, und das Verfahren zur Aufhebung einer Wohnsitzauflage geschildert. Die Informationen wurden zuletzt am 30. Mai 2022 aktualisiert, anlässlich der Ausweitung der Wohnsitzauflage auf Personen mit Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG

→  Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG: Änderungen & Erleichterungen

 

Eine Handreichung des Paritätischen geht etwas detaillierter auf mögliche Argumentationen ein, die im Einzelfall gegen die Verhängung einer Wohnsitzauflage bzw. für deren Aufhebung sprechen. Es wird auch erklärt, welche Schritte unternommen werden müssen, um rechtlich gegen eine Wohnsitzregelung vorzugehen und was getan werden kann, wenn sich das Jobcenter nach einem Umzug unter Berufung auf § 12a AufenthG für nicht zuständig erachtet. Zu beachten ist, dass diese Handreichung kurz nach Einführung des § 12a AufenthG erschienen ist und somit die 2019 vorgenommen Änderungen des Gesetzes nicht berücksichtigt.

→  Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG auch für anerkannte Flüchtlinge: Praxistipps und Hintergründe


Das Netzwerk IQ hat zudem einen Flyer in sechs Sprachen zu den Rechten und Pflichten gegenüber dem Jobcenter bei einer Wohnsitzregelung herausgegeben, die sich an Geflüchtete selbst richtet. Auch diese Publikation ist kurz nach Einführung des § 12a AufenthG erschienen und berücksichtigt somit die 2019 vorgenommen Änderungen des Gesetzes nicht. 

→  Zum Flyer für Geflüchtete auf Deutsch, Englisch, Farsi, Dari, Tigrinisch

 

Regelungen einzelner Bundesländer

Die Bundesländer können zusätzlich zu der oben grob geschilderten Regelung eigene Wohnsitzregelungen einführen, die Flüchtlingen vorschreiben, in welcher Region oder Kommune sie innerhalb des Bundeslandes wohnen müssen oder sogar, in welchen sie nicht wohnen dürfen. Manche Bundesländer machen von dieser Möglichkeit Gebrauch, andere nicht. Im konkreten Einzelfall ist daher stets zuerst zu klären, ob es im jeweiligen Bundesland eine zusätzliche landesgesetzliche Wohnsitzregelung gibt oder nicht. 2018 hat die Bundesregierung mitgeteilt, dass zu diesem Zeitpunkt die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt eigene Regelungen hatten, die vorgeben, wo im Land eine Person zu wohnen hat. Darüber hinaus gab es in drei Kommunen in Niedersachsen und einer in Rheinland-Pfalz eine „negative Wohnsitzauflage“, das heißt, dass Personen mit einer Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG nicht in diese Kommunen ziehen durften.

Soweit vorhanden stellen wir unten Arbeitshilfen mit spezifischen Informationen zu den einzelnen Bundesländern dar. Leider gibt es zu einigen Bundesländern keine passenden Handreichungen. Bitte fragen Sie gegebenenfalls bei einer lokalen Asylberatungsstelle nach entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen.

 

Niedersachsen (teils auf andere Länder übertragbar)

Hilfreiche Informationen zur Wohnsitzregelung finden sich im „Leitfaden für Flüchtlinge“ vom Flüchtlingsrat Niedersachsen in dem Unterpunkt „Wohnen, Umziehen und Reisen“ der jeweiligen Kapitel zur rechtlichen Situation von Personen mit unterschiedlichen Schutzstatus.

Beachte: Für Niedersachsen gilt, dass in der Regel kein Wohnsitz in den Städten Salzgitter, Delmenhorst oder Wilhelmshaven genommen werden darf. Daher wird die Aufenthaltserlaubnis im Regelfall mit der Auflage versehen, dass die Wohnsitzaufnahme nur im Gebiet des Landes Niedersachsen, nicht aber in den oben genannten Städten erlaubt ist.


Informationen zur Wohnsitzauflage für Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg wird die Wohnsitzauflage für eine bestimmte Stadt oder Gemeinde erteilt. Näheres regeln die vorläufigen Anwendungshinweise des Innenministeriums vom 24. Januar 2017. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat eine kurze Broschüre zum Thema „Wohnsitzauflagen im Migrationsrecht“ herausgegeben, die sich unter anderem mit der Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG und deren Ausgestaltung in Baden-Württemberg befasst.

→  Vorläufige Anwendungshinweise des Innenministeriums vom 24. Januar 2017

→  Handreichung „„Wohnsitzauflagen im Migrationsrecht“ des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg


Informationen zur Wohnsitzauflage für Bayern

Bayern gehört zu den Ländern, die die freie Wohnortwahl innerhalb des Bundeslands weiter einschränken. Die bayerische Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) enthält eine Zuständigkeitsregelung, nach der die Bezirksregierungen über Zuweisungen von Flüchtlingen an bestimmte Orte entscheiden. Eine Handreichung für Bayern existiert bislang nicht. Betroffenen wird empfohlen, sich bei einer Asylberatungsstelle beraten zu lassen. Detaillierte Informationen zu der Wohnsitzauflage in Bayern gibt es sonst auf der Webseite des Innenministeriums. 

→  Hinweise des Innenministeriums zur Wohnsitzregelung innerhalb Bayerns

 

Nordrhein-Westfalen: Eigene Wohnsitzregelung

Nordrhein-Westfalen schränkt die Wohnortwahl zusätzlich innerhalb des Landes ein – der Wohnort wird den Betroffenen in einem Bescheid mitgeteilt. Der Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen hat eine Info-Seite zum Thema Wohnsitzauflage eingerichtet. 

→  Informationen zur Wohnsitzauflage des Flüchtlingsrats NRW

Beachte: Das Oberverwaltungsgericht NRW hat im September 2018 entschieden, dass ein Teil der Verordnung, die die Wohnsitzverteilung innerhalb des Bundeslandes regelt, rechtswidrig ist. Daher hat die GGUA Flüchtlingshilfe eine Arbeitshilfe für die Beratung Betroffener verfasst, in der es darum geht, einen Antrag auf Aufhebung der Wohnsitzauflage zu stellen: 

→  Arbeitshilfe der GGUA zur teilweisen Rechtswidrigkeit der Wohnsitzregelung in NRW


Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt schränkt die Wohnortwahl innerhalb des Bundeslandes weiter ein. Geflüchtete werden einem bestimmten Landkreis bzw. einer kreisfreien Stadt zugewiesen. Die Landkreise haben auch die Möglichkeit, kreisintern einen bestimmten Wohnort zuzuweisen. Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt bietet dazu auf seiner Website ein mehrsprachiges Informationsblatt an.

→  Mehrsprachige Informationen zur Wohnsitzregelung in Sachsen-Anhalt


Andere Bundesländer

Das Bundesland, um das es in Ihrem Fall geht, ist hier nicht aufgeführt? Dann wenden Sie sich bitte an eine Asylberatungsstelle vor Ort oder an den Flüchtlingsrat. Leider liegen nicht zu allen Bundesländern entsprechende Handreichungen oder weitergehende Informationen online vor. Über Hinweise zu neuen Handreichungen zur Wohnsitzauflage in den verschiedenen Bundesländern freuen wir uns.


Weiterführende Lektüre

Eine ausführliche rechtliche Analyse der Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG bietet das Asylmagazin 11/2016: Schlotheuber/Röder, „Integrative (?) Zwangsmaßnahme (!). Die neue Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG – Eine erste Bestandsaufnahme.

Zur Umsetzung der Wohnsitzregelung in den einzelnen Bundesländern Ende 2018: Melina Lehrian im Asylmagazin 12/2018: Zwei Jahre Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG - Ein Überblick zur Umsetzung der Regelungen in den einzelnen Bundesländern.

Der Paritätische Gesamtverband hat eine bundesweite Umfrage unter Beratungsstellen zu Praxiserfahrungen mit der Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG durchgeführt. Der Abschlussbericht fasst die Ergebnisse zusammen und verdeutlicht die Auswirkungen der Wohnsitzauflage auf die Betroffenen.: Der Paritätische Gesamtverband „Die Wohnsitzregelung gem. § 12a AufenthG - Aktuelle Problemanzeigen und Handlungsbedarf