Elternnachzug zu jungen Geflüchteten

Wenn es um Familiennachzug von Eltern zu ihren Kindern oder umgekehrt von Kindern zu ihren Eltern geht, ist es sehr wichtig, ob die Kinder einer Familie minderjährig sind oder nicht. Minderjährig ist man in Deutschland, wenn man jünger ist als 18 Jahre. Im deutschen Aufenthaltsrecht gehören nur minderjährige Kinder zur sogenannten Kernfamilie ihrer Eltern. Der Familiennachzug ist grundsätzlich nur für die Kernfamilie möglich.

Viele Menschen streben einen Familiennachzug an, nachdem sie eine positive Entscheidung über ihren Asylantrag erhalten. Aber weil Asylverfahren oft sehr lange dauern, kommt es oft vor, dass die Kinder einer Familie in dieser Zeit über 18 und mithin volljährig geworden sind. In der Vergangenheit haben die deutschen Behörden gesagt, dass in diesen Fällen kein Familiennachzug mehr möglich ist. Doch der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass das so nicht richtig ist. Der Europäische Gerichtshof sagt, dass es darauf ankommt, dass ein Kind am Tag des Asylantrags minderjährig war. Dann gibt es nach dem erfolgreichen Asylantrag ein Recht auf Familiennachzug, auch wenn das Kind in der Zwischenzeit älter als 18 geworden ist.

Das Gericht stellte 2018 – und, nachdem die deutschen Behörden weiter an ihrer bisherigen Praxis festhielten – erneut im August 2022 fest, dass eine Person als minderjährig gilt, wenn sie zum Zeitpunkt der Asylantragsstellung minderjährig war. Das betrifft sowohl die Konstellation, dass eine minderjährige Personen einen Asylantrag stellt und während des Asylverfahrens oder des anschließenden Visumsverfahrens volljährig wird, als auch die Konstellation, dass die Eltern bzw. ein Elternteil eines minderjährigen Kindes einen Asylantrag stellen und das Kind während des Asylverfahrens der Eltern oder des anschließenden Visumsverfahrens volljährig wird. In beiden Fallkonstellationen besteht der Anspruch auf Familienzusammenführung zu Personen mit Flüchtlingsschutz trotz der mittlerweile eingetretenen Volljährigkeit, sofern der Nachzug spätestens drei Monate nach rechtskräftiger Anerkennung beantragt wird.
 

Fachinformation des DRK-Suchdiensts

Eine im September 2022 veröffentlichte Fachinformation des DRK-Suchdiensts stellt die jüngsten Entscheidungen vor und widmet sich der offenen Fragen, ob der vom EuGH festgestellte Grundsatz, dass es für die Frage der Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt der Asylantragsstellung ankommt, auch auf die Fälle übertragbar ist, in denen anstatt der Flüchtlingsanerkennung subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, und was mit den „Altfällen“ ist, in denen der Familiennachzug aufgrund der vom EuGH für rechtswidrig befundenen bisherigen Praxis der Familiennachzug abgelehnt worden ist. Die Fachinformation richtet sich vor allem an Hauptamtliche, die in der Beratung im Kontext Familiennachzug tätig sind.

→ Fachinformation des DRK-Suchdienstes zu EuGH-Entscheidungen vom August 2022 zum Familiennachzug